Zeremonielle Malerei eines Jahrtausend alten Königreichs

 NEPAL / NORDINDIEN 

Seit mehr als 20 Jahren fahre ich jährlich nach Nepal. Meine Aufenthalte in diesem kleinen, sehr armen Land im Himalaja haben zu einer wesentlicheren Betrachtungsweise meines Lebens  geführt. Tief beeindruckt von der mehr als 3000 Jahre alten, zeremoniellen Maltradition im Terai von Nepal/Nordindien, gründete ich das künstlerische Entwicklungsprojekt DIE MALENDEN FRAUEN VON MITHIA.
Fünf Jahre habe ich mich mit Leidenschaft und viel Engagement für diese traditionelle Frauenkunst eingesetzt. Die Organisation von Ausstellungen der alten Volkskunst waren mir ein besonderes Anliegen um interessierten Menschen Einblick in die faszinierende Kultur des Landes zu geben.
Als der Kaschmir Schal Pashmina, ein Spitzenprodukt aus Nepal, 1999 seinen Siegeszug um die Welt antrat, war das die Gelegenheit eine Vision zu realisieren in der ich meine Liebe zu diesem wunderbaren Land und seinen Menschen ausdrücken konnte: Kunst und Handwerk in einem Produkt der Extra-Klasse zu verbinden. Gleichzeitig das Handwerk in Nepal zu unterstützen und den Menschen dort, in einem der ärmsten Länder der Welt, Arbeit zu geben. Und nicht zuletzt meine Vision zu realisieren, Entwürfe für hochspezialisierte Stickereien mit hauchdünnen Seidenfäden und winzigen Glasperlen als kunstvolle Dessins auf Kaschmir Schals herzustellen. Auf diese Weise sind die einzigartigen Meisterstücke der Collection, oft im Auftrag namhafter Institutionen und Museen, entstanden.

DIE MALENDEN FRAUEN VON MITHILA malen Mandala um die Götter zu verehren

Im Auftrag der Götter

Das künstlerische Entwicklungsprojekt DIE MALENDEN FRAUEN VON MITHILA aus dem Terai von Nepal/Nordindien wurde von Astrid Peller ins Leben gerufen. Die zeremonielle Maltradition ist mehr als 3000 Jahre alt. Das Wissen um die Ur-Symbole der hinduistischen Götterwelt wird von den Künstlerinnen im Terai von Nepal/Nordindien in malender oder modellierender Form ausgedrückt. Seit Generationen wird dieses Wissen von der Mutter oder Großmutter an die Tochter und Enkelin weitergegeben. Bei Pujas, den Verehrungszeremonien für die zahlreiche Götter der Hindu-Mythologie haben die Symbole eine zentrale Bedeutung. Sie werden von jungen, unverheirateten Mädchen mit Reispaste als Mandala auf den Lehmboden gemalt.. Das kreisförmige Mandala stellt den Tempel für die jeweilige Gottheit dar. Ursprünglich stellten die Frauen ihre Farben aus Pigmenten von Pflanzen her oder benutzten Ruß vom Kochtopf, den sie mit Kuhurin vermischten. Heute verwenden sie Farben die sie auf den Märkten in den Dörfern kaufen können. 

Swami Dharmjosi und Astrid Peller

Eine intensive Begegnung

Der spontane Entschluss 1992 für mehrere Monate nach Nepal zu reisen war ein Glücksfall für mich. Meine Liebe zu dem ehemaligen Himalaja Königreich mit seiner jahrhunderte alten Kultur, den freundlichen Menschen, der sinnlichen Farbenpracht des indischen Subkontinents und seinem bunten Völkergemisch ist mir eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration um kreativ tätig zu sein. Bei meinem ersten Aufenthalt 1992 lernte ich den alten Swami Dharmjoti kennen, mit dem ich abenteuerliche Reisen in die Dörfer vom Terai in Südnepal/Nordindien unternahm. Dort lernte lernte ich die Künstlerinnen der Malenden Frauen von MIthila kennen. Das wunderbare Hotel Vajra mit seinem gemütlichen Gästehaus ist seit über 20 Jahren meine unentbehrliche, zweite Heimat.

Mithila Künstlerin bei der Arbeit

Gästehaus Vajra in Kathmandu

Guesthaus Vajra

DORF SUGA VILLAGE IM TERAI VON NEPAL

SUGA VILLAGE

Mithila Künstlerin Bina hat eine Willkommens Göttin bemalt, die sie extra anläßlich meiner Ankunft in dem Dorf, modelliert hat. Die Künstlerinnen der MALENDEN FRAUEN VON MITHILA stellen neben kunstvollen, naiven Gemälden auch Kunsthandwerk aus Pappmache' her. Skulpturen, Gemälde und Schachteln werden in Kathmandu in Souvenir Shops verkauft. Für die sehr armen Frauen im Terai von Nepal/Nordindien ist das eine geringe Einnahmequelle, die ihr alltägliches Leben ein etwas erträglicher macht.

Das Gästehaus in Kathmandu ist meine zweite Heimat. Seit 20 Jahren ist es eine Oase, die unentbehrlich für meine Aufenthalte in Nepal geworden ist, ohne die meine abenteuerlichen Unternehmungen nicht möglich gewesen wären. Am ersten Tag meines Aufenthaltes lernte ich Swami kennen. Er saß im Lotussitz am Kaminfeuer des Restaurants und füllte mit seiner Präsenz den ganzen Raum aus. Er  fragte mich ob ich Künstlerin sei und ob ich mit ihm ins Terai zu den MALENDEN FRAUEN fahren wolle. Spontan war meine Antwort: Ja, ich will!

Sugar Village ist ein typisches Terai Dorf mit Lehmhäusern und Stroh gedeckten Dächern. Es liegt wenige Kilometer von der kleinen, historischen Stadt Janakpur entfernt, nahe der nordindischen Grenze. Die Gastfreundschaft der Dorfbewohner war überwältigend. Meine abenteuerlichen Aufenthalte mit Swami in den Dörfern des Terai sind mir unvergesslich. Hier begegnete ich den Künstlerinnen der Mithila Malerei. Die glühende Hitze, Schlangen, Brahmanen und nicht enden wollende Pujas morgens und abends, schafften mir Einblicke in eine faszinierenden Kultur. 

 

Die skulptur aus pappmache` stellt die Liebesgöttin Lakshmi dar

Göttin der Liebe

Gemälde der beiden Götter Surja, die Sonne und Chandra, der Mond

Indische Gottheiten Surja & Chandra

Skulptur des Pfau stellt Gott Indra`Reittier dar

Art Projet Garuda

Retrospektive einer Reise

VORWORT: DAS ABENTEUER BEGINNT...

Es war bestimmt kein Zufall, dass ich schon am Tag nach meiner Ankunft in Kathmandu dem alten Swami Dharmjyoti begegnete. Er ist ein 82-jähriger Gelehrter. Viele Jahre führte er ein Leben als Sadhu, wie die Heiligen der Asketen genannt werden. Er hat den indischen Subkontinent von Kaschmir bis Rajasthan, von Bengalen bis ins Himalajamassiv zu Fuß durchwandert. Spricht fließend Englisch, beherrscht Sanskrit in Wort und Schrift, außerdem eine Vielzahl Hindi Dialekte und hat sein Leben der hinduistischen Götterwelt geweiht. Seine Heimat ist das Terai Gebiet, wo vor Jahrtausenden das Königreich von Mithila lag. Ich habe Swami im Hotel Vajra kennengelernt. Seinen Worten zufolge wird ihm dort seit fünfzehn Jahren freie Kost und Logis geboten, wenn er sich in Kathmandu aufhält.

Am Morgen nach meiner Ankunft betrat ich das Restaurant. Mein Blick fiel sofort auf seine abenteuerliche Gestalt. Unbeweglich wie eine Statue saß er mit überkreuzten Beinen auf einem Stuhl neben dem flackernden Kaminfeuer. Der Blick seiner pechschwarzen Augen aus denen sprühende Lebenslust und Vitalität funkelte zog mich magisch an. Wir kamen ins Gespräch. Farbenreich erzählte er von der jahrtausendalten Volkskunst von Mithila und den malenden Frauen im Terai von Nepal und Nordindien. Als er mich fragte die Malerinnen besuchen zu wollen, sagte ich begeistert zu. Kathmandu Busstation. Wir fahren mit dem Nachtbus nach Janakpur, in die historische Stadt des ehemaligen Königreichs von Mithila, an der Grenze zwischen Nepal und nordindischen Bundesstaat Bihar. Die nachtschwarzen Augen der in dunkle Tücher gehüllten Fahrgäste blicken neugierig zu mir und meinem Begleiter, old Swami, als wir in den Bus steigen

Die letzten Strahlen der Abendsonne tauchen die mit Staub überzogenen Häuserfassaden von Kathmandu in rotes Gold. Das durchdringende Stakkato Gehupe der Nachtbusse, die in alle Richtungen ihre Fahrt antreten, begleiten unsere Abfahrt. Als wir die Stadt verlassen ist die Sonne schon am Horizont verschwunden. Es wird kalt. Ächzend stöhnt der schrottreife Bus die abenteuerliche Straße hinauf, die von Schlaglöcher durchzogen ist und gerade so breit, dass zwei Lastwagen messerscharf aneinander vorbeikommen! Die Lichter vereinzelter Laternen und Feuerstellen sitzen wie glitzernde Erdsterne an den Berghängen. Stundenlang fahren wir durch die Nacht. Voll und rund steht der Mond am Himmel, wirft sein kaltes Licht auf die gewaltigen Bergriesen. Die Sterne funkeln in seltener Klarheit. Gespenstisch eilen die Steinbrocken im Schatten der Nacht vorüber. Still und ruhig sitze ich neben dem alten Mann und lerne die wortlose Sprache des Schweigens kennen. Tiefer Friede und prickelnde Abenteuerlust steigen in mir auf und das wunderbare Glücksgefühl, in mir angekommen zu sein. In steilen, kurvenreichen Windungen zieht sich die Straße bergauf, mal bergab, am ausgetrockneten Flussbett des Trisuli entlang. In der Tiefe unten heben sich die Sandbänke und abgestoßenen Felsbrocken hell vom Flussufer ab. Dahinter steigen in majestätischer Würde gigantische Steinkolosse in den Himmel. Jäh holt mich die Realität aus meiner romantischen Versenkung: scharfes Bremsen, abrupter Halt. Ausweichmanöver, um den Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Lastwagen zu vermeiden. Mein Kopf schlägt hart auf die Lehne des Vordersitzes. Rangieren. Vor, zurück- vor, zurück! Im Zeitlupentempo neigt sich der Bus in gefährlicher Seitenlage Richtung Abgrund. Ich schreie laut auf, springe vom Sitz hoch und bewege meinen Körper instinktiv in die Gegenrichtung, in der Hoffnung das Abstürzen zu verhindern. Angstvoll kreischen andere Reisende. Doch der Bus neigt sich weiter in die Tiefe. Selbst Swami erwacht für einen kurzen Augenblick aus seiner Zeitlosigkeit und fragt mit erstauntem Blick:“ Oh, what`s that"? Der Himmel hat noch einmal Erbarmen mit uns. In meinem Bauch ist ein hohles, schwarzes Loch. Mir ist übel. Erschöpft rolle ich mich auf der durchgesessenen Polsterung des Sitzes zusammen. Eine Frau in der letzten Reihe würgt sich die Seele aus dem Leib. Die Luft ist verbraucht. Es riecht beißend scharf nach Schweiß, Erbrochenem und Urin. Sonst herrscht tiefe Stille. Nach Atem ringend sauge ich die frische Nachtluft ein, die durch den schmalen Fensterschlitz dringt. Seit Stunden sitzt Swami unbeweglich neben mir. Die Beine im Lotussitz überkreuzt. Hin und wieder treffen sich unsere Augen in der Dunkelheit. Alle zwei Stunden holt er aus der Seitentasche seines Hemdes einen kleinen, vergammelten Stoffbeutel heraus. Die von ihm wie eine heilige Handlung aus­ge­führ­te Ze­re­mo­nie der Zubereitung sei­nes Le­bens­e­li­xiers des Can­na­bis ­Pro­duk­tes Bhang be­ginnt. Die be­son­de­re Mi­schung der von Swami verwendeten Zutaten konnte ich nie ganz ergründen. Viele Male habe ich schon die­sem ge­heim­nis­vol­len, dem Gott Shi­va ge­weih­ten Ri­tu­al zu­ge­schaut. Und im­mer wie­der fas­zi­niert mich, wie sich Shivas aus­ge­flippter Aske­ten­sohn da­mit in göttliches Ent­zücken ver­setzt. Lie­be­voll wickelt Swa­mi den von Saft durch­tränk­ten, roten Stoff­-Fet­zen aus­ein­an­der. Aus ei­ner läng­li­chen Blech­do­se nimmt er ein feuch­tes Pan­blatt, legt ge­trock­ne­te Blü­ten, Ge­wür­ze und klei­ne Stücke ei­ner Be­tel­nuss dazu. Be­däch­tig und kon­zen­triert öff­net er den Deckel ei­nes ro­sti­gen Dö­schens. Nimmt ei­ne kalkweiße, schmierige Paste her­aus, ver­streicht sie sorg­fäl­tig auf dem Pan­blatt. Dann brö­selt er klei­ne, schwarze Kü­gel­chen darauf und wickelt den Stoff sei­ner Träu­me in­ das Blatt. Hö­he­punkt des Rituals: Er schließt die Au­gen, legt den Kopf leicht nach hin­ten, schiebt das grü­ne Päck­chen mit ge­nüss­li­chem Ent­zücken in den zahn­lo­sen Mund. Mit pe­dan­ti­scher Sorg­falt packt er al­le Zu­ta­ten wie­der zu­sam­men und steckt sie in die Ta­sche. Die näch­sten zwei Stun­den sitzt er wie­der schwei­gend und un­be­weg­lich in zeit­lo­ser Ewig­keit da. Mit­ter­nacht! Ir­gend­wo zwi­schen Kath­man­du und Ja­nak­pur wird end­lich ei­ne Pau­se ein­ge­legt. Zeit um zum Es­sen und hin­ter einem Bret­ter­ver­schlag aufs Klo zu ge­hen. Hell­wach schaue ich auf das nächt­li­che Cha­os um mich he­rum. Die durch­drin­gen­den Ge­rü­che aus zahl­lo­sen Gar­kü­chen ver­mi­schen sich mit den Blei­wol­ken der an-und ab­fah­ren­den Bus­se zu atem­rau­ben­den Stink­bom­ben. Frau­en und Män­ner, be­la­den mit Tü­ten, Holz­ki­sten, Kä­fi­gen und Kar­tons, laufen schreiend durch die Ge­gend. Lang­sam ge­he ich zum Bus zurück, um auf Swa­mi zu war­ten. Der Mo­tor läuft schon und mit Ent­set­zen se­he, ich wie er sich in Be­we­gung setzt. Mit ei­nem Satz sprin­ge ich auf das Tritt­brett, hal­te mich mit bei­den Ar­men an dem Tür­rah­men fest und schreie: „Wait, wait! Ba­ba is not he­re”! Ver­zwei­felt ver­su­che ich, auf ei­nem Bein hüp­fend, Fahrer und Fahr­gä­sten klar zu ma­chen, dass Swa­mi noch fehlt. End­lich hält der Autobus. Das an­schließen­de Wort­ge­fecht zwi­schen Fah­rer und Swa­mi klingt nicht freund­lich. Die Fahrt geht wei­ter durch die Ster­nennacht. All­­mäh­lich weicht die Berg­ket­te dich­tem Dschun­gel­. Wir sind in der Ebe­ne des Te­rai. Zö­gernd steigt die Mor­gen­däm­me­rung am Ho­ri­zont auf. Nach zwölf Stun­den Fahrt er­rei­chen wir end­lich Ja­nak­pur, die le­gen­dä­re Stadt des un­ter­ge­gan­ge­nen Kö­nig­reichs Mit­hi­la.

Katalog zur Ausstellung

Der erste Regenbogen Katalog